Unverhofft kommt oft: Ein Grasläufer auf Spiekeroog

Ganz früh am morgen des 4. September 2013 machte ich mich auf den Weg in Richtung Leegde, wo ich mich unter einem Tarnnetz versteckt auf die Lauer legen wollte, in der Hoffnung gute Vogel-Fotos zu schießen. Ich hatte ein wenig getrödelt und so war es auf meinem Weg bereits viel heller, als mir eigentlich lieb war. Und außerdem nieselte es die ganze Zeit und der Himmel war komplett grau und bedeckt. Ich war ganz kurz davor abzudrehen und stattdessen zum allmorgendlichen Seawatching mit Edgar Schonart und einigen anderen lustigen Ornis zu fahren. Ein Silberreiher, der wohl von seinem Schlafplatz im Kurpark kam und Richtung Ostplate flog überzeugte mich dann aber doch weiter zu fahren.

Als ich gegen 6:40 Uhr ankam war es bereits recht hell. Der Silberreiher war hier gelandet und bemerkte mich durch seine Größe schon aus größerer Entfernung. Die Enten die hier extrem scheu sind (vermutlich wegen der vollkommen unnötigen Jagd auf sie im Winter!) folgten ihm sofort und auch die meisten Limikolen folgten ihrem Beispiel. Das hatte ich eigentlich gehofft zu vermeiden, aber bei der extremen Scheu dieser Enten scheint es sowieso unmöglich zu sein. Sie flogen ja auch nur etwa 100m weiter zur nächsten Lagune. Schnell hatte ich meine Unterlage und Kamera bereit, warf das Tarnnetz über mich und wenig später saßen auch die Limikolen schon wieder an der Lagune, wenn auch noch in etwa 30m Entfernung. Ich wollte ein wenig Schlaf nachholen und döste ein paar Minuten vor mich hin, eine landende Bekassine ließ mich kurz hochschauen, wenig später hob ich nochmal den Kopf, ich wollte ja nichts verpassen. Und tatsächlich stand da in etwa 7m Entfernung ein kleiner Watvogel mit dem ich nicht recht was anzufangen wusste. Von der Statur erinnerte er an einen Wassertreter, er wippte allerdings non-stop auf und ab, ähnlich einer Wasseramsel. Ein Wassertreter wäre super gewesen, weshalb ich nun mein Fernglas auf den Vogel richtete. In wenigen Sekunden war dieses allerdings durch meine Kamera ersetzt. Was ich gesehen hatte war ganz klar KEIN Wassertreter. Der Vogel sah viel mehr aus, wie ein winziger Kampfläufer. Und besonders der helle Augenring fiel auf, so dass ich mir fast absolut sicher war: Das musste ein Grasläufer sein. Er lief ins Wasser hinein, wo er ausgiebig badede, immer noch ständig am Wippen.

Meine Fotos wurden alle nichts, denn abgesehen davon, dass der Vogel nicht aufhörte sich zu bewegen war es für vernünftige Fotos noch nicht hell genug. Also drehte ich die ISO meiner Kamera auf 800 hoch und schoss weiter, diesmal mit erfreulicheren Ergebnissen. Ich versuchte auch ein kurzes Video zu drehen, doch leider weigerte sich meine Kamera auf den Vogel scharf zu stellen. Wahrscheinlich aus diesem Grund löschte ich es versehentlich schon vor Ort. Auf jeden Fall konnte man im kurzen scharfen Abschnitt des Videos den dunklen halbmondförmigen Fleck auf der Flügelunterseite erkennen, wenn auch nur sehr schlecht.

Der Grasläufer kam aus dem Wasser raus und stand dann für einige Minuten klitschnass am Rand der Lagune. Dabei wippte er immernoch herum (was man übrigens auch auf einem der Bilder unten ganz gut erkennen kann).

Dann flog er eine kurze Strecke an eine andere Stelle am Ufer, wobei ich die Flügel- und Schwanzzeichnung leider nicht von unter'm Tarnnetz erkennen konnte. Dort lief er nochmal in Richtung Wasser wurde aber sehr bald von einer überfliegenden Rohrweihe verscheucht.

Etwa anderthalb Stunden später stand dort hinten wieder ein kleiner Vogel, der mit einiger Sicherheit jener Grasläufer war, doch während ich mein Fernglas auf ihn richtete verschwand er auch schon wieder.

Während der gesamten Beobachtung war ich relativ ruhig, obwohl mir durchaus bewusst war, was für eine Seltenheit dort vor mir stand. Leider jedoch war ich nicht ruhig genug, um zu bemerken, dass ich meinen ISO-Wert wieder runterschrauben konnte, so dass ich noch weitere 2 Stunden mit ISO 800 fotografierte, wo ich schon längst ISO 100 anwenden konnte...

 

Es handelt sich bei diesem Grasläufer, genauso wie auch schon beim Isabell-Steinschmätzer um den jeweils ersten Nachweis für Spiekeroog und ganz Ostfriesland! Da Grasläufer inzwischen aber fast alljährlich in Nordfriesland und/oder anderen Teilen Deutschlands auftauchen handelt es sich diesmal "nur" um den ca. 50sten Nachweis in Deutschland.

 

Normalerweise kommt der Grasläufer nur in Amerika vor und hätte sich gerade auf dem Zug von Nordamerika Richtung Argentinien befinden sollen, doch jedes Jar verdriften einige dutzend bis nach Westeuropa. Die meisten bleiben schon in Großbrittanien hängen, doch einige schießen darüber hinaus sogar bis nach Deutschland. Im Regelfall handelt es sich dabei übrigens auch um Jungvögel, die mit ihrer Zugstrecke noch nicht vertraut sind. Mein Vogel jedoch war anscheinend ein Altvogel, wie einige Gefiedermerkmale verraten. Ob er sich vielleicht also schon vorher nach Europa verflogen hatte, irgendwo hier in Europa oder gar in Afrika überwintert, dann in Nordeuropa übersommert und jetzt wieder auf dem Weg Richtung Süden war? Das weiß wahrscheinlich nur der Vogel selbst.

 

Soll ich auch diesem Vogel einen Namen geben? Ich hätte da schon eine Idee: Was haltet ihr von Günther Gras? :D